Die Agenda für
den Johannesburg-Gipfel steht
Etwa 2,000
Menschen tummelten sich vom 28.1. bis 8.2. im Keller des UN-Hauptgebäudes
in New York um den Agenda für den Weltgipfel für nachhaltige
Entwicklung festzuzurren. Zunächst durften alle sogenannten "Stakeholders",
die im Agenda 21 aufgelisteten gesellschaftlichen Gruppen, sich äußern.
Dies ist eine alte Tradition der in Rio entstandenen ´Commission
for Sustainable Development´ (CSD); bei diesem "Multistakeholder
Dialogue" hörten aber im Gegensatz zu frühereren CSD-Erfahrungen
einige mehr Regierungsvertreter zu. Vielleicht half dabei, das zumindest
der erste Diaolgabschnitt in der General Assembly Hall, also dem großen
Saal des UN-Gebäudes, stattfand.
Die Kulisse war beeindruckend. Und es gelang - auch das ist eher selten
- in Ansätzen ein echter Dialog (oft werden einfach nur die Statements
der stakeholder abgelesen). So hatten die NGOs gemeinschaftlich eine
Konvention für die Verantwortung internationaler Konzerne ("Convention
on corporate accountability") gefordert und dazu ein zweiseitiges
Papier vorgelegt. Der Delegation Ungarns gefiel diese Idee und sie fragte
ausführlich nach. Dies gab den NGOs die Gelegenheit die Notwendigkeit
dieser Konvention noch genauer zu begründen und motivierte andere
Stakeholder, wie Frauen, Jugend, Gewerkschaften, indigene Völker
und Farmer, sich dieser NGO-Forderung anzuschließen. Plötzlich
war ein neues Thema auf der Tagesordnung, das z.B. in den regionalen
Konsultationsprozessen im Herbst des letzten Jahres noch eher ein Schattendasein
geführt hat. "Corporate Accountability" war das Thema
der ersten Woche - sicherlich auch, da zur gleichen Zeit der Enron-Skandal
die amerikanischen Nachrichten dominierte und am Ende der ersten Woche
das "World Economic Forum" ebenfalls in New York stattfand.
Die Lobbyaktivitäten innerhalb des UN-Gebäudes wurden deshalb
durch die Ereignisse außerhalb noch bestärkt .
Am Ende der ersten Woche legte der Chair des Prozesses, Professor Salim
aus Indonesien, eine Liste von Themen vor, die die Resultate des bisherigen
Vorbereitungsprozesses zusammenbringen sollte. Die Liste spiegelte sehr
gut die erste Woche der Verhandlungen wieder - die Resultate der regionalen
Vorbereitungskonferenzen waren darin aber kaum wiederzufinden. Dies
war insofern ironisch, als im letzten Jahr verhindert worden war, dass
die Themen für Johannesburg festgelegt wurden, eben weil ein "bottom
up" Prozess mit regionalen Konsultationen unbedingt zunächst
stattfinden sollte. Am Ende der ersten Woche fragte man sich, was dieser
"bottom up" Prozess genau bewirkt hatte.
Über die Liste von Professor Salim wurde sofort verhandelt. Das
Dokument wurde Punkt für Punkt durchgegangen, obwohl zunächst
eine "allgemeine Einschätzungsrunde" geplant war. Dieser
Prozess war fast tödlich für das neue Thema "corporate
accountability". Die NGO Forderung war nämlich gleich auf
die erste Seite der Chairman´s "List of Issues" gerutscht
- und zwar genau in der Form in der es sich die NGOs gewünscht
hatten . Diese prominente, frühe Nennung führte natürlich
dazu, das einige gewichtige Gegner dieser Idee - die USA Japan, aber
auch Südkore, z.B. - sofort ihren Widerstand zu Protokoll gaben.
Bei der ersten Diskussionrunde hatten viele noch nicht einmal den gesamten
Text gelesen; aber die Seite 1 kannten alle und dazu äußerten
sich dann vor allem Länder, sie sich nicht erst regional abstimmen
müssen (wie z.B. die USA). Nur durch intensive Lobbyarbeit und
vor allem auch die Tatsache, dass viele Länder innerhalb der G
77 sich positiv zu dem Thema äußerten, konnte in der zweiten
Woche verhindert werden, dass das bestimmende Thema der ersten Woche
wieder komplett von der Tagesordnung des Gipfels gestrichen wurde. Allerdings
wurde die Bedeutung der "corporate accountability" im endgültigen
Text deutlich geschwächt und es wurden hauptsächlich freiwillige
unverbindliche Initiativen gelobt und in Aussicht gestellt.
Diese inhaltliche Abschwächung war typisch für die endgültigen
Ergebnisse des Sitzungsmarathons, die man nur als enttäuschend
bezeichnen kann. Die Regierungen waren sich zwar einig darüber,
dass sie die wichtigsten Themen unserer Zeit, wie die Herausforderung
der wirtschaftlichen Globalisierung und die fortbestehenden extrem unnachhaltigen
Konsums- und Produktionsmuster in den Industrieländern, in Johannesburg
behandeln müssen. Auch die Schlüsselthemen Energie und Wasser
sollen einen prominenten Platz einnehmen. Aber bei all diesen Themen
fehlt der Wille die nötigen strukturellen Veränderungen voranzubringen.
So beschränkten sich die Regierungen, trotz einiger Proteste der
G77 - allen voran Indiens - darauf, bei der Globalisierung die Weiterführung
und Umsetzung der Ergebnisse der WTO-Konferenz von Doha zu fordern .
Davon das man der wirtschaftlichen Globalisierung in Johannesburg soziale
und ökologische Grenzen setzen will, war aber nicht die Rede. Im
Bereich Wasser fehlte gleichzeitig jedes Bekenntnis gegen die Privatisierung
dieser Ressource, wie es die NGOs fordern; und im Bereich Energie wird
im abschließenden "Chair´s report" die Weiterentwicklung
effizienter fossiler Energieträger als ein wichtiger Teil der Energiewende
gesehen und ein Anteil an erneuerbaren Energieträgern von gerade
mal 5% des globalen Energiebedarfs bis 2010 in Aussicht gestellt. Wenn
die jetzt skizzierten möglichen Ergebnisse bereits das Maximale
sind, was die Regierungen in Johannesburg an Antworten auf die drängensten
Themen unserer Zeit anzubieten bereit sind, dann ist schon jetzt absehbar,
dass der Johannesburg Gipfel für die Nachhaltigkeit keinen Durchbruch
bringen wird. Der Druck durch die NGOs wird deshalb in den nächsten
Monaten wachsen müssen.
Enttäuschend war auch, dass die EU als Block keinerlei Führungsrolle
übernahm. Die spanische Präsidentschaft führte die EU
extrem chaotisch. Die EU-Abstimmungen dauerten ewig (so dass die Spanier
mindestens einmal nicht an ihrem Platz waren, als sie im Plenum aufgefordert
wurden zu sprechen) und die Spanier hielten sich dem Vernehmen nach
dann auch nicht immer an die vereinbarten Formulierungen. Es gab ein
einziges EU-NGO Treffen (in der zweiten Woche), das ebenfalls schlecht
vorbereitet war. Zumindest zum Ende hin konnte man dieses Chaos nicht
mehr mit der Tatsache, dass die Spanier erst seit Anfang des Jahres
die Präsidentschaft führen, entschuldigen. Politisch war die
EU auch häufig nicht progressiv. So sprach sich die EU z.B. gegen
eine "Convention on corporate acccountability" aus, was unter
den NGOs zu extremer Verärgerung führte. Eine Führungsrolle
der EU ist notwendig, wenn der Johannesburg Gipfel gute Ergebnisse verabschieden
will. Hier muss sich in den nächsten Monaten noch sehr viel ändern!
Eine Kampfabstimmung gab es auch während der zwei Wochen in New
York. Die EU erzwang eine Abstimmung über die Zulassung zum Gipfel
für eine NGO, die für mehr Unabhängigkeit Tibets streitet.
China bekämpfte die Akkreditierung dieser NGO - und zwar mit Erfolg.
Eine sehr, sehr große Mehrheit sprach sich dafür aus, die
betroffene NGO auszuschließen. Kein guter Tag für die Demokratie
bei der UN.
Bei der PrepComm konnte man auch einiges weiteres über die logistischen
Vorbereitungen in Südafrika erfahren. Leider gibt es in der internen
Abstimmung der südafrikanischen NGOs noch einige Schwierigkeiten,
so dass viele Details weiter unklar sind. Offensichtlich wurde aber
in einer Präsentation der südafrikanischen Regierung, dass
die bei der ersten PrepComm kritisierte Ghettoisierung der offiziellen
Regierungsveranstaltung und des NGO-Gipfels weitgehend erhalten bleibt.
Nur 1000 Nicht-Regierungsvertreter (d.h. inklusive Industrie!) werden
jeden Tag Zugang zu dem offiziellen Gipfelgeschehen erhalten. Dies wurde
zwar erneut insbesondere von NGO-Seite kritisiert, scheint aber nicht
mehr zu ändern. Gleichzeitig scheint es, dass die südafrikanischen
Regierung sehr genau kontrollieren will, wer aus Anlass des Gipfels
nach Johannesburg reist. So wird jeder, auch jemand der "nur"
am NGO Gipfel teilnehmen möchte, eine sogenannte "South African
Accreditation" benötigen - muss sich also offiziell bei der
Regierung anmelden.
Interessant wird in den nächsten Monaten auch noch die Diskussion
über die Form der Ergebnisse von Johannesburg. Es wurden in New
York zwei Arten von Ergebnissen für den Gipfel angeregt. Einmal
soll es natürlich ein zwischen den UN-Nationen ausgehandeltes Schlusskommunique
geben, das völkerrechtlich verbindlich ist. Gleichzeitig will die
UN aber auch "partnerschaftliche Abkommen" zwischen Einzelstaaten,
aber auch zwischen einzelnen "Stakeholdern" als offizielles
Ergebnis des Gipfels akzeptieren. Jeder Stakeholder soll sich in Johannesburg
zu etwas verpflichten. Bisher fehlen aber jegliche Kriterien für
derartige "partnerschaftliche Abkommen" (darf auch die Atomindustrie
gemeinsam z.B. mit einem Pro-Atom Staat Projekte anmelden?). Die NGOs
machten sich außerdem über die weiteren politischen Konsequenzen
dieser "partnerschaftlichen Abkommen" Sorge. Ein mögliches
Resultat dieser Regelung ist es, dass die Presse mit vielen positiven
Einzelprojekten "abgespeist wird" und damit der Druck auf
die Regierungen zu einem überzeugenden Verhandlungsergebnis zu
kommen sinkt. In New York war jedenfalls bereits erkennbar, dass Länder
wie die USA durchaus darauf Hoffen, dass der Lärm dieser sogenannten
"Type 2 outcomes" die mageren Ergebnisse des offiziellen Johannebsurg-Prozesses
verdecken könnte. Bis zur nächsten PrepComm müssen die
NGO ihre Haltung zu diesen "partnerschaftlichen Abkommen"
klären.
Die Agenda für Johannesburg steht und die richtigen Themen, wie
Globalisierung, Produktions- und Konsummuster oder Wasser und Energie,
werden in Johannesburg besprochen werden. Bisher sind aber die Antworten
die die Regierungen auf diese wichtigen Herausforderungen zu geben bereit
sind unzureichend. In vielen Punkten bahnt sich für Johannesburg
nichts weiter als eine Fortschreibung der neoliberalen WTO-Politik auf
dem Feld der nachhaltigen Entwicklung an. Die NGOs müssen in den
nächsten Monaten den Druck - auch und gerade bei den PrepComms
- erhöhen, wenn Johannesburg ein Gipfel zur ökologischen Gestaltung
der globalen Gerechtigkeit werden soll, anstatt eines Eingeständnisses
der Regierungen, dass ihnen nachhaltige Entwicklung nicht allzu wichtig
ist und insbesondere Handelsinteressen im Zweifelsfall vorgehen.
Der Autor
ist Fachreferent für internationale Umweltpolitik beim BUND und
koordiniert die Rio+10 Kampagne dessen internationalen Netzwerkes Friends
of the Earth International (FoEI). Er ist Mitglied im Leitungskreis
des Forum.
Alle Infos
zum offiziellen Prozess gibt es unter
www.johannesburgsummit.org
Infos zur Arbeit von Friends of the Earth International zu Rio+10:
www.rio-plus.-10.org
Weitere
Termine:
PrepComm
3, 25. 3. - 5. 4. 2002, New York
PrepComm 4, 27. 5. - 7. 6. 2002, Jakarta
Weltgipfel, 26. 8. - 4. 9. 2002, Johannesburg