Forum Umwelt & Entwicklung
Rundbrief IV/2001

Nichts neues seit Rio und New York?

  Daniel Mittler  
   

Bei den UNECE-Vorbereitungen auf den Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung blockieren die USA weiter

Seit Attacken auf New York und Washington haben die USA, das ist immerhin positiv, eine neue Ära der Kooperation ausgerufen. Kongress und Senat haben bereits beschlossen, dass sie die millionenschweren Schulden, die die USA bei den Vereinten Nationen haben, begleichen wollen. Doch noch ist die neue Stimmung der globalen Partnerschaft nicht in der Umweltpolitik angekommen. Die USA stellt sich weiter ins Abseits, auch bei den Vorbereitungen für den Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung, die im September 2002 in Johannesburg, Südafrika stattfindet.


In regionalen Konferenzen werden im Moment die Themen für diese Riesenveranstaltung festgeklopft. So auch am 24. und 25. September in Genf, wo die UNECE (United Nations Economic Commission for Europe) Region, die ganz Kontinentaleuropa, die USA und Kanada vereint, zusammenkam. Aber statt darüber zu diskutieren, welche Themen in Johannesburg zu behandeln wären, stellten die USA lang akzeptierte Prinzipien der Umwelt- und Entwicklungspolitik in Frage.


Entwicklungshilfe

In Rio hatten sich die meisten Industrieländer (allerdings auch damals nicht die USA) z.B. dazu bekannt, dass sie mindestens 0,7% ihres Bruttosozialproduktes für die Entwicklungshilfe zur Verfügung stellen wollten. Das Versprechen ist gebrochen worden, auch in Deutschland, wo der Wert bei etwa 0,3% liegt. In Genf wollte die EU dieses Ziel aber politisch bestätigen und Besserung noch vor dem Gipfel in Johannesburg in Aussicht stellen. Das weigerten sich die USA mitzutragen. Das Schlusskommunique der Minister verkam zur leeren Phrase, die die Entwicklungsländer nur weiter verärgern wird. Und so ging es in einem fort.


Umweltpolitik
Die anderen Länder wollten z.B. auch das "Vorsorgeprinzip" (auf Englisch: precautionary principle) als eine wichtige Grundlage der Umweltpolitik bestätigt wissen. Die USA - auch mit Blick auf ihre fortgesetzte Verweigerungshaltung bei der internationalen Klimapolitik - blockierten auch hier. Die USA widersetzen sich auch quantitativen Zielen für den Ausbau regenerativer Energien. "Mindestens 10% des Energiebedarfs sollten bis 2010" durch erneuerbare Energien gedeckt werden, hieß es noch in einem Entwurf. Zum Schluss war nur ein vages Bekenntnis, dass es ja schön wäre, wenn erneuerbare Energie ausgebaut würden, übrig. Die USA weigerte sich darüber hinaus die Worte "ecological footprint" in dem Ministerstatement überhaupt auftauchen zu lassen. Dieses Konzept sei in den USA völlig unbekannt und niemand wisse, was es bedeute. Auch wenn dies der WWF durch das Verteilen hübscher Broschüren widerlegte und die US-Delegation von NGOs darauf hingewiesen wurde, dass einer der Erfinder des "ecological footprints", Mathis Wackernagel, seit Jahren in den USA arbeitet - die USA blieben stur.
Die einzige neue Idee der Verhandlungen war ein sogenannter "Global Deal", ein Ausgleich zwischen dem Süden und Norden. Der Global Deal wurde auf Anregung Dänemarks von der EU, der Schweiz und Norwegen vertreten und forderte u.a. einen Schuldenerlass für die Dritte Welt und die Eindämmung der negativen ökologischen Folgen des Wirtschaftswachstum. Selbstverständlich weigerte sich die USA den Global Deal als einen möglichen Tagesordnungspunkt für Johannesburg zu akzeptieren.


Kulturelle Kluft zwischen USA und Europa
Alle Delegationen aus den 54 anwesenden Ländern erklärten sich nach den Terrorattacken mit den USA solidarisch. Der Frust aufgrund der Blockadehaltung der USA stand vielen Verhandlungspartnern der EU, der Schweiz und Norwegens allerdings ins Gesicht geschrieben. Ein EU-Vertreter meinte entnervt: "Es klafft eine riesige kulturelle Lücke zwischen uns". Dies wurde bei einem Gespräch des amerikanischen Delegationsleiters. Jonathan Margolis, mit den anwesenden über 80 Nichtregierungsorganisationen, bestätigt. John Hontelez, Generalsekräter des Europäischen Umweltbüros (EEB), wies dezent darauf hin, dass die USA auch 9 Jahre nach Rio weiter weit über ihre ökologischen Verhältnisse lebten. Er fragte, ob die USA bereit wäre, in diesem Punkte Selbstkritik zu üben. "Ich fand die Art und Weise wie Sie diese Frage stellten sehr interessant", meinte Margonis. "Als Amerikaner kann ich mit dem Begriff Selbstkritik nichts anfangen. Wir schauen eher immer auf die positive Seite der Medaille." "Das ist genau das Problem" stöhnte es ihm aus der Gemeinschaft versammelter Umweltschützer entgegen. Jonathan Margolis bestätigte außerdem, dass die USA weiterhin kein Interesse an internationalen Abkommen haben. "Wir sprechen mit unseren Partnern über die Dinge, die uns wichtig sind. Das halten wir für effektiver." Selbstkritik war in Genf allerdings auch bei anderen Delegationen Mangelware. Nur der britische Umweltminister Michael Meacher, gab offen zu, dass die Entwicklung der letzten 9 Jahre weiter in die falsche Richtung gegangen sei. Eine der entscheidende Grundlagen für diese Entwicklung, nämlich die wirtschaftlich dominierte Globalisierung, wollte allerdings niemand kritisieren. Selbst der von der EU favorisierte Global Deal forderte mehr internationalen Handel und das Abschlusskommunique besagt, dass die Umweltpolitik, das gegenwärtige internationale Handelssystem "unterstützen" solle. Forderungen, wie die von Friends of the Earth International, dass Umweltabkommen immer Handelabkommen überstimmen sollten, wurden nicht aufgegriffen. Auch Forderungen nach einem globalen Regelkatalog für Konzerne verpufften.


Kritik an der Globalisierung fehlte
Aus umweltpolitischer Sicht bieten die Vorbereitungen für den Weltgipfel zur nachhaltigen Entwicklung also im Moment noch ein trauriges Bild. Die wirtschaftliche Globalisierung, eine Hauptursachen für die fortschreitenden Verschlechterung der Umweltsituation, wird von den Regierungen ausgeblendet. Die USA blockiert bereits die kleinsten, symbolischsten Schritte in die richtige Richtung, wie sie die EU in Genf forderte. Wenn der Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung im September 2002 ein Erfolg werden soll, dann muss der Rest der Welt noch mehr politischen Mut zeigen, und die USA das Zeitalter der Kooperation auch in der Umweltpolitik einläuten. In den Korridoren ging zum Abschluss der Konferenz das Gerücht um, die USA hätten für die Zukunft mehr Kooperation signalisiert.

 

Der Autor ist Fachreferent für internationale Umweltpolitik beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Rio+10 Koordinator dessen internationalen Netzwerkes, Friends of the Earth International (www.foei.org) und Mitglied im Leitungskreis des Forums Umwelt & Entwicklung
Seine Rede bei der Rio+10 Vorbereitungskonferenz in Genf ist unter http://www.iisd.ca/linkages/ wssd/WSEUR/monday.html abrufbar.

 


Die UNECE-Region schlägt die folgenden Themen und Prioritäten für den Gipfel in Johannesburg vor:

"sustainable management and conservation of natural resources, environment and health, making globalization work for sustainable development, improving governance and democratic processes at all levels, education, science and technology. Financing for sustainable development will be a crucial cross -cutting issue."

Das Schlusskommunique des UNECE-Gipfels ist zu finden unter
http://www.johannesburgsummit.org/web_pages/european_regional_preparatory_ process.htm weitere Infos zum UNECE Prozess gibt es unter http://www.unece. org/env/rio+10/
Vor der Konferenz trafen sich NGOs aus der ganzen UNECE-Region und stimmten ein gemeinsames Papier ab. Dies ist unter http://www.johannesburgsummit.org/web_pages/final_unece_ngo_statement.pdf zu finden.